Recht - Sicherheit

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Neutralität, UNO-Charta, Haager Konventionen

Derzeit werden heisse Diskussionen über die Neutralität in Politik und Gesellschaft geführt. Ausgelöst wurden diese durch den russischen militärischen Angriff auf die Ukraine, die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland einerseits und die Haltung des Bundesrates bezüglich Wiederausfuhr von in der Schweiz gekauftem Kriegsmaterial andererseits. Gestützt auf die Neutralität weigert er sich, die vertraglichen Wiederausfuhrverbote (Deutschland: Fliegerabwehr-Munition, Dänemark: Schützenpanzer, Spanien: Artilleriegeschütze) aufzuheben. Oder in der Schweiz gelagerte, nicht gebrauchte Kampfpanzer direkt in die Ukraine auszuführen.

Was "Neutralität" bedeutet und was sie bezweckt, ist allerdings unklar resp. widersprüchlich. Dabei werden Neutralität "im Allgemeinen", Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik (auch vom Bundesrat in seinen Äusserungen) munter vermischt. Sie müssen aber auseinandergehalten werden.

Der "Neutralität im Allgemeinen" stimmt eine grosse Mehrheit zu (~90%). Geht es aber um den Zweck bzw. die Funktionen der "Neutralität" sieht es anders aus: die Neutralität gehöre zur "Identität" finden ~80%. Der Funktion "Konfliktvermeidung" stimmen nur noch 55% zu, dass sie militärisch glaubhaft geschützt werden kann, noch 48%. 55% sind für eine Annäherung an die NATO, 53% sind der Meinung, die Neutralität lasse es zu, dass die Schweiz die militärische Verteidigung zusammen mit der Nato plane. Einen NATO-Beitritt befürwortet aber nur ein Drittel. 38% sind der Meinung, unsere enge politische und wirtschaftliche Verflechtung mit anderen Staaten verunmögliche die Neutralität. Eine klare Mehrheit von 75% ist der Auffassung, die (wirtschaftlichen) Sanktionen gegenüber Russland seien mit der Neutralität vereinbar. 57% befürworten eine differenzielle Neutralitätspolitik der Schweiz, das heisst, sie soll politisch Stellung beziehen, aber militärisch neutral sein (Ergebnisse gem. Umfrage des CSS der ETH, publ. am 16.3.203 https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-93735.html). 55% befürworten die Weitergabe von Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion durch Drittstaaten an die Ukraine (Umfrage Sotomo i.A. der NZZaS, https://www.bernerzeitung.ch/mehrheit-befuerwortet-weitergabe-von-schweizer-kriegsmaterial-an-ukraine-615237106283).

Was bedeuten diese Umfrageergebnisse? Eine Kurzanalyse:

  • Je allgemeiner Neutralität angesehen wird, desto breiter die Zustimmung ("im Allgemeinen", "Identität")
  • Je konkreter nach dem Zweck, der Funktion gefragt wird, desto schwächer wird die Zustimmung
  • Je näher die Frage bezüglich Sicherheit ("Konfliktvermeidung") bzw. Verteidigung der Schweiz aufgeworfen wird, desto widersprüchlicher werden die Antworten (Verteidigung mit der NATO planen, aber kein Beitritt). Das ist egoistisch: bei einem militärischen Angriff auf die Schweiz erwartet man die Unterstützung durch die NATO, wie geübt, ist aber zur entsprechenden Gegenleistung nicht bereit.
  • Hinsichtlich Neutralität in Bezug auf den Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine wird zwischen wirtschaftlichen und militärischen Sanktionen ([Wieder-]Ausfuhr von Kriegsmaterial an die Ukraine) unterschieden, obwohl dieser Unterschied neutralitätsrechtlich nicht besteht: Art. 41/42 UNO-Charta. Die militärischen Sanktionen sind die Verschärfung, wenn die wirtschaftlichen nichts oder nicht hinreichend genützt haben. Das entspricht dem Verhältnismässigkeitsprinzip.

Mit anderen Worten: die Neutralität ist vom Mythos zur Ersatzreligion geworden ("im Allgemeinen", "Identität"), man glaubt an sie. Einen Glauben aufzugeben, fällt schwer, selbst wenn man weiss, dass es ein Aberglaube ist ("Konfliktvermeidung", Verteidigung). Der Glaube an die "bewaffnete Neutralität" ist ohnehin ein Irrglaube, denn die Schweizer Armee ist nicht fähig, den Verteidigungsauftrag der Bundesverfassung zu erfüllen, auf Jahrzehnte hinaus nicht. Wir sind restlos von der Bereitschaft der NATO-Länder abhängig, ohne zur geringsten Gegenleistung bereit zu sein (z.B. Angleichung an die NATO-Vorgaben betr. Verteidigungsausgaben qua BIP).

Konkret auf die Fragen der Neutralität und der Kriegsmaterialausfuhr bezogen folgen zwei unterschiedliche Darstellungen als Anhänge.

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